7-Punkte-Programm für bessere Gesundheit

Unter dem Motto „JETZT in die Gesundheit investieren!“ hat Andreas Huss mit Anfang Juli 2020 die Obmannschaft in der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) übernommen. Bei einem gemeinsamen Pressetermin mit NÖ Gesundheitslandesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig und Christian Farthofer, Mitglied des ÖGK-Landesstellenausschusses in Niederösterreich, wurde in St. Pölten einerseits über gemeinsame Gesundheitsprojekte informiert und andererseits wurden Pläne zu einer Stärkung der Primärversorgung und für Maßnahmen zur Gesundheitsförderung vorgestellt.

Zunächst wurde betont, dass die Allgemeinmedizin unverzichtbar für die wohnortnahe Versorgung sei. Sie kämpfe aber mit Nachwuchsmangel, unbesetzten Stellen, überlasteten ÄrztInnen, ungenügender PatientInnenversorgung und Abwanderung in den Wahlarztbereich. „Das Drehen weniger Schrauben wird nicht reichen, um auch in Zukunft ein leistungsstarkes öffentliches Gesundheitswesen zu haben“, meinte Landesrätin Königsberger-Ludwig. Es brauche hingegen ein Bündel an Maßnahmen, um junge Menschen für die Allgemeinmedizin zu gewinnen. Etwa sei der Ausbau der Primärversorgung ein wichtiger Beitrag in diesem Zusammenhang, so Königsberger-Ludwig: „Das neue Modell ist eine gute Ergänzung zum bewährten Hausarztsystem und entspricht besser der Arbeitswelt der jungen Ärztinnen und Ärzte.“

Auch ÖGK-Obmann Huss sieht großen Handlungsbedarf: „Einerseits muss es gelingen, eine Facharztausbildung zum Hausarzt/zur Hausärztin umzusetzen. Andererseits müssen wir jene jungen Menschen unterstützen, die Hausärzte werden wollen. Sie sollen sich verpflichten, zehn Jahre als Hausarzt zu arbeiten, und dafür einen einfacheren Aufnahmetest bestehen dürfen. Hier wollen wir mit den politischen EntscheidungsträgerInnen schnellstmöglich in Kontakt treten.“

Dazu müsse sich, so Huss, auch an den Rahmenbedingungen einiges ändern – von der Honorierung bis hin zu besseren Möglichkeiten der Zusammenarbeit in Gruppenpraxen und Ärztezentren. Genauso soll die Modernisierung der Primärversorgung in der regionalen hausärztlichen Versorgung weiter ausgerollt werden, auch wenn sich durch die Kassenfusion viele Projektumsetzungen stark verzögert haben. Huss: „Primärversorgungseinheiten und –netzwerke in allen Bundesländern schaffen innovative Zusammenarbeitsformen aller Gesundheitsberufe, die als Sachleistung für die Versicherten zugänglich sind. Die in der Bundeszielsteuerung beschlossenen Zielsetzungen müssen ins Zentrum der Bemühungen rücken, und der zuständige Fachbereich muss mit genügend Personal ausgestattet werden, damit dieses Feld intensiv bespielt werden kann.“

Christian Farthofer, Mitglied des ÖGK-Landesstellenausschusses in Niederösterreich, ergänzt: „Grundsätzlich sind Hausärztinnen und -ärzte erste Ansprechpartner für alle gesundheitlichen Fragen. Wir stellen aber vor allem bei dem klassischen Hausarzt einen Rollenwandel fest: Weg vom alten Bild, wonach der Arzt rund um die Uhr für die Patienten da sein muss. Moderne Ärzte sind von dieser verstaubten ‚Hausarztromantik‘ weit entfernt. Jede Ärztin und jeder Arzt hat das Recht auf eine Work-Life-Balance und auf die dazu passenden ordentlichen Arbeitsbedingungen. Wir sind aufgerufen, unseren Beitrag dazu zu leisten. In Niederösterreich haben wir deshalb schon vor Jahren auf Gruppenpraxen und andere Formen von Jobsharing-Modellen gesetzt, weil diese dank flexibler Zeiteinteilung sehr familienfreundlich sind. Das steigert die Lebensqualität im Arztberuf. Davon profitieren gerade auch Frauen. Weitere Vorteile der Gruppenpraxen sind, dass der fachliche Austausch unter den Medizinerinnen und Medizinern schneller und leichter geht, die Patientinnen und Patienten kürzere Wartezeiten haben und bei diesem Modell kundenfreundliche Öffnungszeiten möglich sind – also eine Win-Win-Situation.“

Die ÖGK hat in Niederösterreich 827 Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner unter Vertrag. Es gibt 79 Gruppenpraxen für Allgemeinmedizin, die kostenlos mit der e-card aufgesucht werden können. Primärversorgungszentren und -netzwerke sind eine gute Ergänzung zu diesem bewährten Hausarztsystem. Deshalb soll es künftig ein Nebeneinander von klassischen Hausärzten, Gruppenpraxen, Zentren und Netzwerken geben. Farthofer: „Wir brauchen je nach Region unterschiedliche Ansätze, um eine effiziente und umfassende medizinische Versorgung zu gewährleisten“. In Niederösterreich gibt es drei Primärversorgungszentren, nämlich in St. Pölten, Böheimkirchen und Schwechat. Im Herbst startet das erste Primärversorgungsnetzwerk im Melker Alpenvorland an sechs Standorten. Die Zentren und Netzwerke sind sowohl Anlaufstellen für die medizinische Grundversorgung als auch für Akut- und Notfälle. Auch chronisch Kranke sowie Menschen, die eine Palliativ- und geriatrische Versorgung benötigen, werden hier bestens betreut. Ebenso nicht zu kurz kommen gesundheitsfördernde Angebote, wie beispielsweise das Programm „Therapie Aktiv“ für Typ 2-Diabetiker oder die Vorsorgeuntersuchung.

Gesundheitsförderung ausbauen

Österreich liegt bei den gesunden Lebensjahren deutlich hinter anderen europäischen Ländern. Auch wenn die Ursachen dafür nicht wirklich geklärt sind, gezielte Maßnahmen in der Gesundheitsförderung sind ein wichtiger Beitrag, damit Menschen ihr Leben länger in Gesundheit verbringen können.

Das Land NÖ und die ÖGK setzen derzeit gemeinsam zahlreiche Projekte für alle Altersgruppen und in allen Lebenswelten um, die ein längeres, selbstbestimmtes Leben bei guter Gesundheit für alle Menschen sicherstellen sollen. „Ob es sich um Aktionen wie ‚Apollonia 2020‘, ‚Frühe Hilfen‘, oder ‚Rauchfrei Telefon‘ handelt, sie alle tragen dazu bei, dass die eigene Gesundheitskompetenz gestärkt und damit die gesundheitliche Chancengleichheit gefördert wird.“ In diesem Zusammenhang spricht Königsberger-Ludwig besonders den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der ÖGK einen großen Dank aus, die das Beratungsangebot aufgrund der COVID-19-Krise mittels Webinaren und Videos rasch umgestellt haben und damit die Gesundheitsangebote in diesen schwierigen Zeiten weiterhin ermöglichten.

Andreas Huss wies darauf hin, dass ihm die schulische und die betriebliche Gesundheitsförderung besonders am Herzen liege: „In der Schule bzw. im Betrieb verbringen viele Menschen viel Zeit. Hier müssen wir ansetzen!“ Die Gebietskrankenkassen hätten schon ein breites Angebot an Gesundheitsförderung aufgebaut, von der schulischen und betrieblichen Gesundheitsförderung bis hin zu Beratungs-Angeboten in den Bereichen Ernährung, Bewegung und psychische Gesundheitsförderung für Zielgruppen vom Baby bis zu SeniorInnen, so Huss. Jedes Bundesland hat gute Initiativen. Bewährte Maßnahmen sollen deshalb allen ÖsterreicherInnen zur Verfügung gestellt werden, also in allen Bundesländern angeboten werden. Gesundheitsförderung muss innerhalb der ÖGK einen zentralen Stellenwert erhalten“, bekräftigt Huss. So könnten Betriebe, die Gesundheitsförderung für ihre Beschäftigten betreiben, dafür auch belohnt werden, z.B. mit einer Bevorzugung bei Ausschreibungen.

In Niederösterreich ist die betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) eine Erfolgsgeschichte. „Seit dem Start von BGF vor 17 Jahren haben wir fast 1 000 Unternehmen auf ihrem Weg zu einem gesünderen Betrieb betreut und begleitet. Damit profitieren bereits mehr als 120 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von gesünderen Arbeitsplätzen“, berichtet Farthofer. „Oft sind es nur Kleinigkeiten, die einen großen Unterschied im betrieblichen Alltag ausmachen können und sich auf die Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer letztlich positiv auswirken. Wo konkret Optimierungspotenzial besteht und wie sich Veränderungen langfristig verankern lassen, zeigt die ÖGK mit diesem Programm“, so Farthofer.

Gesundheit – vor allem für Kinder!

Zentrales Ziel der Arbeitnehmerkurie in der ÖGK bis 2025 sind Maßnahmen, die die Gesundheit von Kindern betreffen. Der flächendeckende und bedarfsgerechte Ausbau der „Frühen Hilfen“, die es seit 2016 gibt, ist hier zentral. Frühe Hilfen sind ein Konzept, bei dem junge Familien mit sozialen, psychischen oder wirtschaftlichen Problemen umfassende Hilfestellung erhalten. Mit den derzeitigen Mitteln sei eine bedarfsgerechte Betreuung bei weitem nicht möglich: „Geschätzt wird, dass wir 16 Millionen Euro jährlich brauchen, um diese Unterstützung so anzubieten, wie es notwendig ist. Mir erscheint das eine geringe Summe, wenn ich damit Kindern ein gesundes Aufwachsen ermöglichen kann“, erklärt Huss. Ein zweites wichtiges Thema wird die Verbesserung der Zahngesundheit unserer Kinder sein.

„Natürlich kosten die Maßnahmen unseres 7-Punkt-Programmes Geld, auch darüber haben wir uns natürlich ganz konkrete Gedanken gemacht. Man soll aber nie vergessen, dass eine solcherart verbesserte Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung auch enorme Kosteneinsparungen im gesamten Gesundheitssystem bringen – und nicht zuletzt sparen sie viel menschliches Leid“, sagt Huss.

Das 7-Punkte-Programm bis 2025 im Überblick

1. Hausärztliche Versorgung verbessern und langfristig sichern
2. Österreichweite Impfprogramme verbessern
3. Kassenfinanzierte Therapien ausbauen
4. Gesundheits-Hotline 1450 ausbauen
5. Strukturierte Betreuung für chronisch Kranke
6. Darmkrebs-Screening einführen
7. Gesundheit – vor allem für Kinder!